RNZ: Ab 22 Uhr lässt die Supermarktkasse noch nicht mal mehr ein Pils durch (03.03.10)

Heidelbergs erste Nacht mit dem neuen Alkoholverkaufsverbot 

"Richtig rund geht's erst am Wochenende"


Ein halber Liter ungekühltes Pils scheitert als erstes alkoholhaltiges Getränk an der Supermarktkasse ­ und zwar um 22.01 Uhr. "Tut mir leid", sagt die Kassiererin, "seit heute dürfen wir nach 22 Uhr kein Alkohol mehr verkaufen." (...) Dass ein Bier im Supermarkt im Carré überhaupt noch nach 22 Uhr bis zur Kasse vordringen konnte, war indes Zufall. Denn der Sicherheitsdienst, der auch hier am späten Abend tätig ist, hat mit dem nächtlichen Alkoholverkaufsverbot eine neue Aufgabe bekommen: "Wir stoppen die Leute schon, sobald sie ein alkoholisches Getränk aus dem Regal ziehen wollen", sagt einer der privaten Wachmänner, "damit es erst gar nicht zu Ärger an der Kasse kommen kann".

Großen Ärger macht die neue Verordnung hier in der ersten Nacht noch nicht, manchen Kunden macht sie aber dennoch einen empfindlichen Strich durch die Rechnung. (...)



Nachtkiosk fürchtet um seine Existenzgrundlage

Und ein paar Studenten waren recht verzweifelt, weil sie in einen Geburtstag reinfeiern und dafür noch Sekt und Bier besorgen wollten. 30 bis 40 Leute hätten schon ins Alkoholregal gegriffen, vier davon auch etwas herumgepöbelt, "richtig rund geht es aber bestimmt erst am Wochenende", so der Sicherheitsmann. "Freitags und samstags ist hier ja ohnehin immer schon die Hölle los gewesen, wenn wir jetzt noch die Leute vom Alkohol fernhalten müssen - wir haben uns auf einiges eingestellt."

Auch einen Kilometer weiter südlich in einer Nachttankstelle ist es recht ruhig. "Wir haben einschlägige Kunden schon seit zwei Wochen auf das Verbot hingewiesen", so (der) Tankstellenwart (...) Auf ein ungemütliches Wochenende stellt man sich auch an der Tankstelle ein: "Bislang haben wir selten pünktlich um 22 Uhr die Tür geschlossen und den Nachtschalter geöffnet - jetzt werden wir das aber machen" (...) Noch größere Sorgen bereiten hier aber die drohenden Einbußen: "Wir rechnen damit, dass uns insgesamt ein Drittel der Nacht Umsätze wegbrechen wird. "In der Altstadt dann um 24 Uhr ein Bild, das es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte: Vier junge Männer schlendern gemütlich mit Bierflaschen in der Hand durch die Untere Straße. "Ach so, das Gesetz gilt ab heute?", fragt einer. "Nee, das Bier wurde uns nicht unter der Ladentheke verkauft, das haben wir von einer Privatparty mitgenommen." (...) Lange Gesichter auch um 1 Uhr im Nachtkiosk (...): "Ich rechne mit Einbußen von 50 Prozent", sagt der Besitzer (...) (Er) hat sich derweil auch schon für ein hartes Wochenende gerüstet: "Ich habe mir extra Tränengas besorgt, man weiß ja nie."

RNZ, Bastian Strauch, 03.03.2010