RNZ: Würzner - „Die Altstadt wird jetzt Chefsache" (08.10.09)

via www.rnz.de

Würzner: „Die Altstadt wird jetzt Chefsache"

Linda Altstadt Heidelberg Lärm BürgerinitiativeHeidelberg. Oberbürgermeister Eckart Würzner macht die Altstadt-Problematik zur Chefsache. Damit reagiert er auf die sich häufenden Beschwerden über Lärm, Randale und Dreck, wie sie in einer großen Bürgerversammlung mit über 250 Teilnehmern vor eineinhalb Wochen geäußert wurden. [...]. Dem widerspricht Würzner im RNZ-Interview und kündigt eine harte Haltung der Stadt an, die offensiver als bisher gegen die Zustände vorgehen will.

Haben Sie sich vor eineinhalb Wochen bei der Bürgerversammlung gedrückt?
Ich stelle mich jeder Diskussion. Ich gehe zu jeder Einladung, sofern sie rechtzeitig eingegangen ist, denn ich suche den Dialog und das Gespräch. Ich weise ausdrücklich die Behauptung zurück, dass es von mir eine Anweisung gegeben hat, dass dieser Termin von der Stadtspitze nicht wahrgenommen werden sollte.

Warum ist sonst niemand aufgetaucht?
Ich musste mich, gerade nach den Sommerferien und nach der Einführung des neuen Gemeinderates, um viele andere Aufgaben kümmern, [...].

Hätte denn der zuständige Bürgermeister Erichson hingehen können?
Das stand nie in Abrede, ich stelle so etwas jedem Dezernenten frei. Aber ich gebe zu, dass es uns zum damaligen Zeitpunkt nicht so klar war, dass ein so deutlicher und dringender Handlungszwang besteht. [...].

Kamen Sie deswegen nicht, weil sie sich in einer Unterschriftenliste von Anwohnern geschmäht fühlten?
Als OB darf man nicht zu empfindlich sein, harte Worte richten sich nicht gegen meine Person, sondern gegen meine Funktion. Wobei ich den Stil mancher Äußerungen und Transparente nicht billige.

Wie ernst ist denn die Situation in der Altstadt?
Es ist nicht einfach, in der Mitte einer urbanen Stadt eine lebendige Kneipenszene und wohnen in der Nähe zu vereinen – [...]. Wegen der zunehmenden Beschwerden über Lärm oder Urinieren haben wir den Kommunalen Ordnungsdienst mit sechs Mitarbeitern eingeführt, der jetzt auf acht aufgestockt worden ist, um der Polizei bei der Eindämmung der Ordnungswidrigkeiten in der Altstadt und auf der Neckarwiese zu helfen. Aber ich gebe zu, dass sich die Situation in der Altstadt nicht deutlich verbessert hat. Und ich gebe zu, dass mir das vorher nicht so klar war.

Machen Sie die Altstadt-Problematik jetzt zur Chefsache?
Ja, denn ich halte es für zwingend. Die Situation macht es erforderlich, dass die Verwaltungsspitze direkt eingreift. Deswegen habe ich angeordnet, dass die rechtlichen Vorgaben wie die Außenbewirtschaftung und die Sperrzeiten zwingend einzuhalten [...]. Das kann bis zum Konzessionsentzug gehen.[...].

Die Anwohner erwarten sofortige Hilfe, wann kommt die?
Zunächst durch meine Anordnung, auch wenn das nur ein Baustein von vielen ist. Im ersten Schritt geht es um die konsequente Einhaltung der rechtlichen Regelungen. Dazu gehört auch, dass sich die Wirte sich ihrer Verantwortung bewusst werden, für ausreichend Toiletten zu sorgen. Und die müssen in einem Zustand sein, dass man sich überhaupt drauf traut. [...].

Wird denn der Kommunale Ordnungsdienst auch nach 2 Uhr präsent sein, wie es die Anwohner fordern?
Er ist ja nur eine Ergänzung zur Polizei, denn eigentlich kann nur die Polizei effektiv mit alkoholisierten Altstadtgästen umgehen, ihnen einen Platzverweis erteilen und sie notfalls in die Ausnüchterungszelle bringen. Aber ich bin offen für eine Verschmelzung des Ordnungsdienstes mit dem "alten" Gemeindevollzugsdienst, [...].

Hat die Stadt in der Vergangenheit das Problem ernst genug genommen?
Dass die Situation in Teilen der Altstadt so nicht mehr vertretbar ist, wurde mir nicht so vermittelt – denn ich bin abends meist auf Dienst-Terminen und kaum in der Altstadt. [...]. Das Alarmierende ist aber, dass sich in den letzten 20 Jahren weniger die Kneipendichte verändert hat als vielmehr das Verhalten einiger junger Erwachsener, die viel zu viel trinken.

Die Altstadt war noch nie ein Kurpark. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?
Die Leute gehen wesentlich später aus. Viele aus dem Umland kommen mit dem letzten Zug in der Altstadt an und fahren mit dem ersten morgens volltrunken heim. [...]. Und das verschärft sich auch noch dadurch, dass wir als Stadtverwaltung das Trinken in der Öffentlichkeit und den Verkauf von Alkohol aus Kiosken heraus bisher nicht verbieten konnten. Da hat uns das Land im Regen stehen lassen, indem wir die rechtlichen Grundlagen nicht bekommen haben, dagegen vorzugehen. Wenigstens dürfen wir ab dem 1. Januar alle Kioske schließen – was wir sofort tun werden.

Mal ehrlich: Möchten Sie gern in der Altstadt wohnen?
Ich habe früher gern in der Altstadt gewohnt, als ich als Student noch öfters unterwegs war, aber in meinem Alter macht man das nicht mehr so oft. [...] Auch wenn Kneipen zur Altstadt gehören, darf die Altstadt nicht unter ihnen leiden.

Würzner nimmt sich die Wirte vor
Gestern gab OB Eckart Würzner die ausdrückliche Anweisung, dass der Kommunale Ordnungsdienst die Außenbewirtschaftungs- und die Sperrzeiten streng überprüft – Zuwiderhandlungen können sogar mit Konzessionsentzug geahndet werden. In einer Anordnung, die der RNZ vorliegt, kassiert Würzner die verkürzten Sperrzeiten [...], falls es Beschwerden gibt. Generell werden "wegen der hohen Lärmbelastungen keine weiteren Sperrzeitverkürzungen gewährt" – also sollten alle Kneipen wochentags bis 2 Uhr und wochenends bis 3 Uhr schließen. Die Außenbewirtschaftung ist nur noch bis Mitternacht zulässig – was scharf kontrolliert werden soll.

Ab dem 1. Januar ist der Verkauf von Alkohol nach 22 Uhr verboten – das gibt der Stadt die Handhabe, die Kioske, in denen sich bisher die "Rucksacktrinker" eingedeckt haben, zu schließen. Der Kommunale Ordnungsdienst soll schwerpunktmäßig in der Altstadt eingesetzt werden, [...]. In den nächsten Tagen will Würzner mit Polizeidirektor Bernd Fuchs über mehr Polizeipräsenz in der Altstadt reden. Und schließlich will Würzner selbst den Runden Tisch leiten, um dort ein Gesamtkonzept für die Altstadt zu erarbeiten.



Von Micha Hörnle (Foto: Hoppe)
> via www.rnz.de (Datum/Aufruf: 08.10.09)

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