Leserbrief: OB–Interview zum Jahreswechsel (09.01.10)

Leserbrief RNZ zum OB–Interview zum Jahreswechsel (gekürzt veröffentlicht)

Lieber OB

Der Ruf nach der Stadt wird dann besonders stark, wenn er jahrelang auf taube Ohren stößt!
Einen Stadtteil nur noch unter touristischer und kommerzieller Maßgabe zu sehen und zu führen, und anschließend von einem Nutzungskonflikt zu sprechen ist mehr als verwunderlich.

Wenn wir Anwohner unseren Stadtteil als unseren Lebensraum ansehen, entsteht also ein Konflikt. Dabei möchten wir hier in der Altstadt keine Sonderbehandlung. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen so behandelt werden, wie die Bewohner anderer Stadtteile. Niemand möchte aus der Altstadt ein reines Wohngebiet machen, aber auch für Mischgebiete gelten gesetzliche Regelungen, Grenzwerte und Verordnungen, und nicht zuletzt zum Schutze der Anwohner wurden sie eingeführt.

Es ist die Aufgabe und die Pflicht der Stadtverwaltung und der Polizeibehörde für deren Einhaltung zu sorgen. Dieser hoheitlichen Verpflichtung wurde in der Vergangenheit leider nicht annähernd genüge getan. Ob dies zukünftig der Fall sein wird, wird sich zeigen, kann aber heute schon, auf Grund von personeller Unterbesetzung der entsprechenden Organe, angezweifelt werden.


Wir können und werden nicht darauf warten, bis sich das Ausgehverhalten als Folge einer gesellschaftlichen Entwicklung grundlegend in die, sagen wir, richtige Richtung ändert. In der Verlängerung der Sperrzeit sehen wir auch nicht die Lösung aller Probleme, vielmehr sehen wir in der stetigen Verkürzung der Sperrzeiten der vergangenen Jahre eine maßgebliche Ursache für die meisten nächtlichen Probleme in unserer Altstadt und auch in anderen bundesdeutschen Städten. Es freut mich deshalb, dass Sie sich im Stande sehen, die Lokale um 24.00 Uhr zu schließen.

Wir alle sind gefordert und auch in der Verantwortung auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu reagieren. Die Erziehung eines Kindes erfordert ein ganzes Dorf, besagt ein afrikanisches Sprichwort. Erziehen heißt Grenzen setzen. Eine solche Grenze ist auch die Sperrzeit, die eingeführt wurde, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten und Anwohner vor den Auswirkungen nächtlichen Zechens zu schützen.

Unter Erziehungsangeboten verstehen wir jedoch nicht -- Happy Hour ab 1.00 Uhr -- Cocktails To Go -- Altbier bis zum Umfallen -- oder -- Einen laufenden Meter Kölsch zum Schnäppchenpreis -- und erst recht nicht eine, rund um die Uhr geöffnete, Kneipenmeile mit den entsprechenden Offerten.

Wenn Sie in diesem Zusammenhang nur befürchten, dass keiner mehr ausgeht und sich die Probleme in andere Stadtteile verlagern, kann ich Sie beruhigen. In der Altstadt wurde auch ausgegangen als die Lokale um 24.00 Uhr schlossen. Wenn sich dann der nächtliche Besucherstrom auch auf andere Stadtteile verteilt, ist dies, nicht nur für die dort ansässigen Wirte, wünschenswert, denn es muss und kann sich nicht alles in der räumlich beengten Altstadt abspielen. Die Altstadt und Ihre Anwohner müssen auch mal zur Ruhe kommen können.

Hier findet auch kein Konflikt zwischen Anwohnern und Gastronomie oder zwischen Jung und Alt statt. Denn weder ist das Alter eines nächtlichen Randalierers relevant noch die Art des Betriebes, der für nächtliche Störungen sorgt. Wenn um drei Uhr nachts zwanzig Nachtschwärmer einen Dönerladen oder eine Disco aufsuchen, wird dies mit einem entsprechend hohen Geräuschpegel verbunden sein, dann wird auch ein, zunächst harmlos erscheinender, Dönerladen zum Problem für die Anwohner.

Dieser Konfliktstoff kann nur mit einer vernünftigen Sperrzeit von 24.00 Uhr unter der Woche entschärft werden. Flankiert von scharfen Kontrollen und rechtlichen Schritten für den, der sich nicht an die Spielregeln hält, und Spielregeln sollten sowohl für Nachtschwärmer als auch für jene Gastronomen gelten, die uns glauben machen wollen, dass sie ihr Lokal nur dann weiter betreiben können, wenn sie ihre Gäste täglich bis tief in die Nacht hinein bedienen können. Da werden dann gebetsmühlenartig DEHOGA-Argumente wie - man müsse dem geänderten Ausgehverhalten oder dem neuen mediterranen Lebensgefühl in Deutschland Rechnung tragen - zitiert, und schnell wird bei der Bewertung der eigenen Stadt das Kriterium der Weltoffenheit mit Weltbesoffenheit verwechselt.

Wenn Sie von gemeinsamen Lösungen sprechen, frage ich mich,
wie sollen diese aussehen und ebenso dringlich,
wer ist alles Teil dieser Gemeinsamkeit?


Die Gastronomen am Runden Tisch, die bestenfalls die Problemgastronomie repräsentieren?
Die Vertreter der Heidelberger Studentenschaft?
Der DEHOGA?
Die IHK?
Vielleicht noch die Vereinigung der badischen Wildpinkler?
Oder die Interessengemeinschaft der Gröler und Randalierer?
Wohlmöglich auch noch der Verband der Reiseveranstalter für Junggesellenabschiede?

Sind alle der Genannten nun aufgefordert über unseren Lebensraum mit zu entscheiden?
Gilt es deren Interessen gegenüber denen von uns Anwohnern abzuwägen?


Das, verehrter OB, wird nicht funktionieren und keine Konflikte lösen, sondern nur weiter polarisierend wirken.

Harald Holzwarth


> RNZ-Interview OB Würzner zum Jahreswechsel (28.12.09)