Mannheimer Morgen: "Richtwerte für Lärm sind überschritten" (15.12.09)

Altstadt: Geplagter Anwohner misst Schallwellen / Gemeinderat entscheidet am Donnerstag über Sperrzeiten

"Richtwerte für Lärm sind überschritten"

Bürgerinitiative Linda, Heidelberger Bürgerinitiativen, Wohnen in der Altstadt, ILA, BIEST, Verein Alt-Heidelberg, Bürger für Heidelberg, Pro Altstadt, Kornmarkt, Dreikönige, Lärm, Lärmbelästigung, Krach, Grölen, Gröler, Ruhestörung, Nachtruhe, Dreck, Randale, Trinken, Saufen, Kotzen, Pinkeln, Saufmeile, Pro AltstadtSeit zehn Jahren wohnt Götz Jansen mit seiner Frau in der Kettengasse, mitten in der Altstadt. Seitdem ist es dort immer lauter geworden, sagt er: "Das ist schon lange bekannt, aber es ist nichts geschehen." Deshalb hat er vor dem Fenster seiner Wohnung im zweiten Obergeschoss ein Lärmmessgerät angebracht, mit dem er seit Mitte November Daten sammelt. Das bisherige Ergebnis hat er nun in einer E-Mail den Gemeinderäten mitgeteilt:

"Zur Zeit duldet die Stadt in der Altstadt großflächige und anhaltende Überschreitungen der Immissionsrichtwerte."


Auf seiner Internet-Seite (www.heidelbergeraltstadtlaerm.de) hat Jansen die von ihm gemessenen "Schallpegelkurven" für die Nächte seit 11. November veröffentlicht. Und eines haben alle Grafiken gemein: Sie überschreiten zwischen 22 und 6 Uhr sowohl den Immissionsrichtwert für Wohnmischgebiete - um ein solches handelt es sich laut Jansen bei der Altstadt - in Höhe von 45 Dezibel als auch die Obergrenze von 65 Dezibel für "zugestandene einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen".

Ähnlich ist das Bild für die Hauptstraße, wo nur für den 13. und 14. November Aufzeichnungen vorliegen. Dass die Kneipenbesucher in der Altstadt nachts viel Lärm verursachen, ist bekannt. Doch wie viel es tatsächlich ist, liegt jetzt schwarz auf weiß vor.


Ausrüstung aus dem Museum

Jansen ist nach eigenen Angaben kein Fachmann, hat sich aber offensichtlich in die Materie eingearbeitet und berücksichtigt Einflussfaktoren wie starken, pfeifenden Wind oder prasselnden Regen. Auch das Messgerät ist professionell: Es stammt aus dem Senckenberg-Museum in Frankfurt. Der Sohn des Altstadt-Bewohners, ein Biologe, hatte damit für seine Doktorarbeit das Verhalten von Fröschen im bolivianischen Urwald untersucht. "Bis Weihnachten darf ich es behalten", sagt der Vater.

Auf die Idee mit dem Lärmmessgerät kam er, als kurzzeitig über Videokameras für die Altstadt diskutiert wurde, die Jansen "schrecklich" findet. Die Schallkurven seien dagegen "ganz unpersönlich", also nicht bestimmten Personen zuzuordnen. Allerdings seien es die Passanten, die laut seien, und nicht die Kneipen und Diskotheken: "Wir haben kein Problem mit den Betrieben, es sind die vielen Menschen auf der Straße." Bereits im März habe er der Stadt vorgeschlagen, Messungen durchzuführen: "Lange bevor das mit den Initiativen losging." Eine Antwort habe er jedoch nicht erhalten.

Dass seine elektronische Nachricht gerade jetzt in die Postfächer der Lokalpolitiker flattert, ist kein Zufall: Übermorgen entscheidet der Gemeinderat über eine frühere Sperrstunde. Für Jansen gibt es dazu keine Alternative: "Man kann an den Kurven ganz genau sehen, dass es leiser wird, wenn die Leute rausgeschmissen werden." Die Überschreitungen der Richtwerte müssten eingedämmt werden, appelliert er in seiner E-Mail an die Stadträte: "Die Bürger wollen das nicht länger hinnehmen."

Er plädiert dafür, die Sperrstunde - wie in der Zeit vor dem Jahr 2000 - auf zwei Uhr an Wochenenden und auf ein Uhr an Werktagen vorzuverlegen. Derselben Meinung sind die Stadträte Arnulf Weiler-Lorentz (Bunte Linke) und Hilde Stolz (Die Linke), die einen entsprechenden Antrag gestellt haben.

Landesregierung will Lockerung
Die Verwaltung will dagegen an der momentan gültigen Sperrzeit, die jeweils eine Stunde später beginnt, festhalten - im Gegensatz zur Landesregierung: Sie hat eine Lockerung beschlossen, die zum 1. Januar in Kraft tritt. Dadurch wird die Sperrstunde werktags auf drei Uhr und am Wochenende auf fünf Uhr verlegt. Dann müssten die Kneipen am Samstag und Sonntag nur noch eine Stunde schließen, weil die Sperrzeit um sechs Uhr endet. Durch den Beschluss einer Rechtsverordnung will die Stadt den Beschluss der Landesregierung umgehen. Für die Gastwirte trete dadurch "keine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Situation" ein, heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat.

Mannheimer Morgen
Simon Scherrenbacher, 15. Dezember 2009

> via Mannheimer Morgen (Datum/Abruf: 15.12.09)



siehe auch:

> unbeantwortetes Schreiben von Götz Jansen an Stadt/OB Würzner (28.03.09)








Messkurven Heidelberger Altstadt:


Abbildung: Messkurve Untere Strasse 21.11.09
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JPG Geräuschpegel: Untere Strasse 04.12.09
JPG Geräuschpegel: Hauptstrasse 11.12.09
JPG Geräuschpegel: Hauptstrasse 12.12.09
JPG Geräuschpegel: Kettengasse 11.12.09
JPG Geräuschpegel: Kettengasse 12.12.09
JPG Geräuschpegel: Steingasse 12.12.09
JPG Geräuschpegel: Steingasse 13.12.09
JPG Geräuschpegel: Hauptstrasse westliche Altstadt 18.12.09
JPG Geräuschpegel: Hauptstrasse westliche Altstadt 19.12.09


PDF Download: alle Kurven.pdf



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  1. gravatar

    # by Anonym - 15.12.09, 12:47

    ´´ Für die Gastwirte trete dadurch "keine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Situation" ein, heißt es in der Vorlage für den Gemeinderat.´´

    Das zeigt ganz deutlich, wessen Interessen von der Verwaltung und dem Gemeinderat bedacht werden, oder besser formuliert, wessen Interessen keinerlei Berücksichtigung finden, nämlich die der Bewohner der Altstadt.

    Harald Holzwarth