Bürger für Heidelberg: Brief an Dr. Würzner (14.10.05)




PDF Bürger für Heidelberg: Brief an Dr. Würzner.pdf (14.10.05)




Herrn Dr. Eckehart Würzner
Bürgermeister für Umwelt und Energie
Kornmarkt, Prinz Carl
D-69117 Heidelberg


„Leben in der Altstadt“ – Gespräch am 27.06.2005

Sehr geehrter Herr Dr. Würzner,

aus privaten und beruflichen Gründen war es uns leider nicht möglich auf das mit Ihnen am 27.06.05 geführte Gespräch früher einzugehen.

Zunächst bedanken wir uns für die Gelegenheit, das Gespräch mit Ihnen führen zu können. Es hat sich darin gezeigt, dass wir in einer Reihe von Punkten übereinstimmen und einige zentrale Punkte jedoch, die wir unterschiedlich sehen. Für die Fortsetzung eines Dialogs erscheint es uns wichtig sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede festzuhalten:
  • Wir stimmen überein, dass durch die Arbeit des „Runden Tisches“ und der daraus entstandenen Vereinbarung und Bewusstseinsbildung einiges erreicht wurde.
  • Wir stimmen nicht überein, dass der „Runde Tisch“ seine Arbeit erledigt hat und deshalb nicht mehr fortgeführt werden müsse. Wir bedauern vielmehr, dass es für einen Dialog mit den Betroffenen Gruppen kein Forum mehr gibt, in dem Probleme konstruktiv besprochen und Lösungswege gemeinsam entwickelt werden können.
  • Wir stimmen nicht überein, dass die Kommune 90% ihrer Aufgaben abgearbeitet hat. Dies lässt sich aus den immer wieder vehement vorgebrachten Klagen vieler Anwohner entnehmen. Nur ein Beispiel ist die nicht enden wollenden Leidensgeschichte von Frau Sidow , die, anders als viele andere, dankenswerter Weise noch nicht resigniert hat und nicht aufhört aufzuschreiben, was sie nächtlich erleidet.
  • Wir stimmen nicht überein mit Ihrer Bewertung unserer Aktivitäten, die Sie als Negativpropaganda und Abwertung der am „Runden Tisch“ erreichten Ergebnisse beschrieben. Solange an Brennpunkten in der Altstadt eklatant gegen bestehende Gesetze und Vorschriften verstoßen wird und es den dort wohnenden Bürgerinnen und Bürgern – auch bei größtmöglicher Toleranz – unmöglich ist, die Lebensqualität und Nachtruhe zu finden, die zur Regeneration und zur Erfüllung ihrer beruflichen Verpflichtungen nötig ist, solange werden wir diese Miss­stände anprangern und auf Erfüllung von Gesetzen und Vereinbarung pochen.
  • Wir stimmen überein, dass in der Altstadt, aber auch in anderen Bereichen, Veränderungen im Verhalten der Besucher zu beobachten sind, die ein neues Nachdenken und andere Maßnahmen erfordern, wenn Fehlentwicklungen erfolgreich entgegen getreten werden soll. Hierzu gehören z.B. Maßnahmen, die

     - das öffentliche Bewusstsein für die Probleme der Altstadt wecken,
     - den gezielten Einsatz von Streetworkern ermöglichen
     - durch kontinuierliche und effiziente Kontrolle die Einhaltung von Gesetzen
       und Vereinbarungen sicherstellen,
     - den gezielten Polizeieinsatz mit den übrigen Maßnahmen verzahnen

  • Wir stimmen überein, dass bei der Umsetzung solcher Maßnahmen eine „Null-Toleranz“ Strategie gefahren werden muss, wenn nachhaltige Erfolge erzielt werden sollen.
  • Wir stimmen überein, dass die Politik über die Rolle der Altstadt neu nachdenken und diskutieren muss, etwa unter dem Motto „Altstadt, Freizeitpark oder Familienwohnort“, weil die Summe aller Belastungen nicht mehr erträglich ist.

Der Vollständigkeit halber wiederholen wir nachstehend die zusätzlichen Forderungen, die unseres Erachtens in das gesamte Bündel von Maßnahmen gehören, mit dem eine nachhaltige Verbesserung in der Altstadt bewirkt werden soll:

  • Einrichtung eines „Kommunalen Ordnungsdienstes“, der sich in Mannheim hervorragend bewährt hat (siehe Anlage).
  • Jährlicher Lärmbericht nach Ende der Sommersaison.
  • Reduzierung von Events, die zusätzliche Besucher in die Altstadt bringen und die Bedürfnisse der Bewohner immer mehr an den Rand drängen.
  • Anwohner-Anwalt, um den Bedürfnissen der Bewohner eine Stimme zu verleihen gegenüber einer Übermacht von Verbänden und Institutionen wie Stadtmarketing/City Manager, Pro Heidelberg, Hotel- und Gaststättenverband, Einzelhandelsverband, Kongress- und Tourismus GmbH etc.
  • Bebauungsplan „Östliche Altstadt“ schnellstens verabschieden.
  • Neues Erschließungskonzept für die Altstadt insbesondere für Abend- und Nachtstunden.

Die letzte Sommersaison hat gezeigt, dass wir noch weit von einer Lösung der Probleme entfernt sind (siehe beiliegende Kopie aus der Bildzeitung) und wir gut daran täten, wieder ein Modell für eine konkrete Zusammenarbeit zu finden.



Freundliche Grüße

Tine Lehmann
Vorstand

Albertus L. Bujard
Vorstand




siehe auch:

> Brief: Bürgermeister Würzner an "Bürger für Heidelberg" (14.10.05)
> Brief: Amt für öffentliche Ordnung/René Pöltl an "Bürger für Heidelberg" (14.10.05)