Brief: Auswirkungen der veränderten Sperrzeitregelung 2001 (10.03.02)


An [alle GemeinderätInnen und Frau Oberbürgermeisterin Beate Weber]
[Straße]
[xxxxx] Heidelberg


10. März 2002
Sitzung des Gemeinderats am 14. März,
TOP 8: "Auswirkungen der veränderten Sperrzeitregelung in der Altstadt im Jahr 2001"



Sehr geehrte [N.N.],

in Anerkennung des bisherigen Bemühens des Ordnungsamts, den nächtlichen Lärm aus und vor den Gaststätten zu mildern, möchte ich zu bedenken geben, dass die Lärmursachen zunehmend nicht mehr bei den Gaststätten selbst, sondern bei den Gästen nach Verlassen der Gasträume liegen – wie es in dem amtlichen Bericht heißt. Dort ist ebenfalls zu lesen, dass sich die Lärmbelästigung zeitlich verbreitet hat und bis in die frühen Morgenstunden (4 Uhr) erstreckt.

Ich selbst bin Betroffener dieses Folgelärms, indem ich seit etwa April 2001 in jeder Nacht durch vorüberziehende grölende Passanten eine halbe Stunde nach Schließungszeit geweckt werde. (Vielleicht haben sich mit den Öffnungszeiten auch die Art oder der Zustand der Gaststättenbesucher verändert.) Ich und meine Familie haben ihren Tagesrhythmus seither völlig umstellen müssen. Dass meine Nachbarn am Marktplatz ähnlich leiden, weiß ich aus vielen Gesprächen.

Da Sie nun Ihre Beschlussfassung von Anfang des Jahres 2001 aufgreifen und erneut über die Sperrzeitregelung abstimmen, bitte ich Sie, meine folgenden Gedanken anzuhören:

  • Beim Abwägen der Interessen von Bewohnern und Wirten ist auch an die Zahlen zu denken: Tausende betroffener Bewohner stehen einigen Dutzend Wirten gegenüber.
  • Auch bei den Bewohnern geht es um wirtschaftliche Interessen: Bei ihnen geht es um den kostenaufwendigen Umzug oder Wohnungsverkauf, evtl. um den Werterhalt ihrer Wohnungen. Es geht auch um ihre berufliche Leistungsfähigkeit, die in vielen Fällen durch die andauernde Streßbelastung und die fast nicht vorhandene Nachtruhe in der Altstadt gefährdet ist. Beim Abwägen wirtschaftlicher Interessen muss man m.E. auch die wirtschaftliche Leistung berücksichtigen, die die Bewohner der Altstadt durch ihre Arbeitskraft erbringen. Und der Haushalt einer Stadt hängt indirekt auch davon ab, wie sehr sich die Bewohner von sich aus für die Erhaltung der Substanz und die Ordnung noch engagieren wollen.
  • Der Weltruf dieser Stadt gründet sich nicht ausschließlich auf ihre Gastronomie, sondern zum einen auf die täglich (und nächtlich) erbrachten denkerischen Leistungen vieler ihrer Bewohner, auch in der Altstadt, wofür sie wenigstens einige Stunden Nachtruhe brauchen (von dem Tageslärm rede ich gar nicht); zum anderen gründet er auf die bauliche Gestalt, welche der Pflege und des Interesses der Bewohner dafür bedarf. Eine hohe Fluktuation steht beidem entgegen.
  • Wenn es laut dem Referat des Ordnungsamts vor dem Bezirksbeirat Altstadt (am 04. Februar 02) im vergangenen Jahr keine Zunahme der Zahl von Beschwerden gab, so ist zu bedenken: 1. Der Folgelärm nach Schließung der Lokale durch laut vorüberziehende Heimkehrer ist gar nicht beschwerdefähig – eine Beschwerde bzw. ein Anrufen der Polizei wäre sinnlos; 2. aus eigener Erfahrung und der meiner Nachbarn weiß ich, dass die Hemmschwelle bis zur Beschwerde oder Anrufung der Polizei sehr hoch ist.

Nach dem erwähnten Referat des Ordnungsamts vor dem Bezirksbeirat Altstadt gibt es jetzt und voraussichtlich auch in Zukunft schon von der personellen Seite her keine Möglichkeit, den Folgelärm einzudämmen. Damit bleibt die Rücknahme der Verlängerung der Gaststätten-Öffnungszeiten in diesem gastronomisch extrem dichten Areal die einzige Möglichkeit, die Lärmsituation wenigstens von vor einem Jahr wiederherzustellen.

Freundliche Grüße






Antwortschreiben OB Weber
 



10.03.2002
Gemeinderatssitzung am 14.03.2002,
TOP 8: „Auswirkungen der veränderten Sperrzeitregelung in der Altstadt im Jahr 2001“



Sehr geehrter Herr Wachter,
vielen Dank für Ihr o. g. Schreiben, in dem Sie berichten, wie Sie unter den verschiedenen Lärmquellen im Bereich der Heidelberger Altstadt leiden.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch bei Ihnen und den anderen Mitgliedern des Vereins „Bürger für Heidelberg“ für die ausgewerteten Ergebnisse der Bürgerbefragung im Jahr 2001 bedanken. Mit dem am 05.03.2002 an Herrn Bürgermeister Dr. Würzner übergebenen Schlussbericht „Lärm in der Altstadt“ liegt uns jetzt eine differenzierte Darstellung der Lärmquellen vor.

Gerade weil es mir ein wichtiges Anliegen ist, dass Familien mit Kindern und Bewohner, die tagsüber viele Stunden hochkonzentriert Leistungen erbringen müssen, in der Altstadt leben und sich dort wohlfühlen können, habe ich dem Gemeinderat bereits Anfang des Jahres 2001 für diesen Stadtteil eine Rechtsverordnung zur Reduzierung der Gaststättenöffnungszeiten vorgeschlagen. Leider fand sie nicht die erforderliche Mehrheit. Das bedeutet aber nicht, dass die Wohnbevölkerung in der Altstadt jetzt mit den Lärmproblemen allein gelassen werden soll.
Heute legt das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Heidelberg als Gaststättenbehörde den vom Gemeinderat am 15.02.2001 geforderten Bericht über die Auswirkungen der veränderten Sperrzeitregelung in der Altstadt im Jahr 2001 vor.

Selbstverständlich werden wir auch künftig verstärkt Einfluss nehmen, um ein vernünftiges Miteinander von Anwohnern, Wirten und Gästen zu erreichen. Dazu gehören gezielte Polizeikontrollen ebenso wie Gespräche mit Wirten und ggf. beschränkende Auflagen. Dabei ist es natürlich wichtig, dass die wenigen „schwarzen Schafe“ unter den Wirten bekannt werden. Deshalb ermuntere ich Sie dazu, bei Ruhestörungen sofort die Polizei anzurufen und den Verursacher zu nennen. Die Polizei geht dann vor Ort; falls das wegen anderer Aufgaben gerade nicht möglich ist, nimmt sie telefonisch mit dem Wirt Kontakt auf. In jedem Fall wird die Ruhestörung protokolliert und dem Amt für öffentliche Ordnung gemeldet.

Selbstverständlich können Sie Ihre Beobachtungen auch selbst dem Amt für öffentliche Ordnung unter der Telefon-Nr. 58 xx xx, Frau Ratz-Selzer, mitteilen.

Dort wird seit 2001 eine Beschwerdeliste geführt. Jede Ruhestörung wird aufgezeichnet und entsprechend dem vom Amt für öffentliche Ordnung entwickelten Maßnahmenkatalog behandelt. Das Thema „Lärm in der Altstadt“ wird weiterhin in den politischen Gremien - zunächst im Umweltausschuss am 16.04.2002 – erörtert. Die hierdurch angeregte Auseinandersetzung unterschiedlicher Interessengruppen wird sicherlich weiterhin alle am Konfliktlösungsprozess Beteiligten sensibilisieren und einen zusätzlichen Impuls für eine Verbesserung der Situation in Ihrem Sinne geben.

Mit freundlichen Grüßen
Beate Weber




siehe auch:

> Abschlussbericht der Arbeitsgruppe 'Lärm in der Altstadt' (25.10.04)






Bürgerinitiative Linda, Lärm, Lärmbelästigung, Krach, Grölen, Gröler, Ruhestörung, Nachtruhe, Dreck, Randale, Trinken, Saufen, Kotzen, Pinkeln, Untere Strasse, Saufmeile