RNZ: Nach 23 Uhr mit dem Bier vor die Kneipe? (23.02.10)

Das soll jetzt verboten sein

Gerade führt ein Wirt eine Art Musterprozess gegen die Stadt -
Stadt will bei ihrem harten Durchgreifen in der Altstadt bleiben


Die Stadt will das nächtliche Trinken vor den Kneipen verbieten. Wenn der Wirt einen Gast nach dem Ende der Außenbewirtschaftung werktags nach 23 Uhr, wochenends nach 24 Uhr ­mit einem Getränk auf die Straße gehen lässt, dann ist das für die Stadt eine ungenehmigte Außenbewirtschaftung (auch wenn Tische und Stühle längst weggeräumt sind). Deswegen belangte sie einen Wirt, der nicht verhinderte, dass seine Gäste nachts ihr Bierchen nach draußen nahmen. Dafür muss er, so berichtete Bürgermeister Wolfgang Erichson, 200 bis 1000 Euro zahlen. Gegen diese einstweilige Anordnung klagt nun der Wirt vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim; seine Kollegen sehen diese Klage als Musterklage, denn es hat schon weitreichende Folgen, wenn die Gäste in einer lauschigen Sommernacht nicht mehr mit einem Getränk auf die Straße dürfen.


Übrigens: Es macht keinen Unterschied, ob der Gast Selters oder Wodka trinkt. Es geht darum, dass er eigentlich kein Getränk nach dem Ende der Außenbewirtschaftung draußen trinken darf. Das gilt natürlich auch für alle, die zum Rauchen nach draußen gehen ­ Erichson: "Man kann auch ohne Getränk rauchen."

Damit deutet sich eine deutliche Kehrtwende im Umgang der Stadtverwaltung mit den Wirten und ihren Gästen an. Nicht nur, dass sich Heidelberg den längeren, eigentlich landesweit geltenden Kneipenöffnungszeiten widersetzte; selbst in der Fastnachtszeit genehmigte man keine langen Nächte in den Bars, die grundsätzlich erlaubt seien, berichtete OB Eckart Würzner. Und seitdem das Thema "Lärm, Dreck und Randale" zu einem stadtbeherrschenden wurde, habe der Kommunale Ordnungsdienst hart durchgegriffen: 26 Verfahren laufen gerade gegen Kneipenwirte hauptsächlich wegen Verstößen gegen die Außenbewirtschaftung und wegen Verstößen gegen die Sperrzeit. Aber auch 159 Altstadtbesucher wurden seit dem 1. Oktober wegen Ordnungswidrigkeiten belangt - meistens wegen Wildpinkelns. "Von diesen Personen stammen 95 Prozent nicht aus Heidelberg", erklärte Erichson. Die Geschnappten müssten dann direkt vor Ort die 30 Euro Strafe bezahlen.

Würzner und Erichson hoffen auch auf Regelungen des Landes, um die Lage in der Altstadt zu beruhigen. Das Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen könnte Landesinnenminister Heribert Rech, dem Würzner deswegen geschrieben hat, langsam auf den Weg bringen. Doch eine Regelung gilt schon in sechs Tagen: Denn dann dürfen zwischen 22 und 5 Uhr keine alkoholischen Getränke mehr verkauft werden - weder im Supermarkt noch an Tankstellen oder an den beiden Altstadt-Kiosken, die dann wohl endgültig schließen werden. Erichson kündigte an, dass man das Verkaufsverbot streng überwachen werde, bei Verstößen droht ein Bußgeld.

Die Stadt hat sich aber auch noch etwas anderes einfallen lassen, um bei den Wirten die Daumenschrauben anzuziehen: Bei jedem Pächterwechsel muss der neue Wirt eine Lärmprognose auf eigene Kosten vorlegen, die dann über die Konzessionserteilung entscheidet. Die Stadt will auch darauf hinarbeiten, dass Qualitätsgastronomie, also zum Beispiel ein Speiselokal, in leere Kneipen (wie beispielsweise momentan die "Pepperbar") zieht.

Erichson will auch an die Führerscheine der jungen Trinker. Denn wer in der Altstadt öfter damit auffällt, dass er betrunken grölt oder randaliert, der habe wohl ein Alkoholproblem und sei charakterlich nicht geeignet, Auto zu fahren. Diese Nichteignung will man dann der Führerscheinstelle mitteilen. In Karlsruhe, Heilbronn und Stuttgart habe man damit schon gute Erfahrungen gemacht.




RNZ, Micha Hörnle, 23.02.10