ruprecht: Heidelberg-Altstadt in Aufruhr (10.11.09)

Altstadt in Aufruhr
Anwohner machen mobil gegen Randalierer

Die Stimmung in der Altstadt ist hochexplosiv. Die Anwohner haben genug von Dreck, Lärm und Randale der Feiernden. Derzeit verhandeln sie mit Oberbürgermeister Eckart Würzner an einem Runden Tisch.

Die Protestbanner der Altstadtbewohner zeigen deutlich: Sie können die Grölenden nicht mehr hören, das Erbrochene der Betrunkenen nicht mehr riechen und die Scherben der zerbrochenen Fenster nicht mehr sehen. Um ihre Interessen besser durchsetzen zu können, schlossen sich insgesamt sieben Initiativen Ende August zur Bürgerbewegung „Leben in der Altstadt“ (LindA) zusammen. „Vandalismus und Lärm haben in den letzten sechs Jahren so sehr zugenommen, dass es nicht mehr hinnehmbar ist“, klagt Karin Werner-Jensen, Anwohnerin seit 21 Jahren und treibende Kraft von LindA.

Auf einen Beschwerdebrief im Juli, den 300 Anwohner unterzeichnet hatten, und eine Einladung zu einer Podiumsdiskussion der Initiative im September, war die Reaktion der Stadt „quasi gleich null“. Doch nun hat Oberbürgermeister Eckart Würzner die Altstadt zur „Chefsache“ deklariert und einen Runden Tisch zur gemeinsamen Lösungsfindung vorgeschlagen. Die Altstädter wollen aber nicht mehr reden - sie wollen Taten sehen. Dennoch werden sie am Treffen teilnehmen. „Wir wollen uns dem Dialog nicht verschließen. Wir behalten uns aber vor, den Tisch zu verlassen, wenn keine nachprüfbaren Maßnahmen ergriffen werden“, sagt die langjährige Stadträtin Werner-Jensen (SPD).

Die Initiative fordert, dass die Anwohner die erste Priorität in der Altstadt haben sollen - nicht Einzelhandel und Gastronomie. Schließlich seien sie die arbeitende und steuerzahlende Bevölkerung. Einige weitere Forderungen sind „ein Leben unbeeinträchtigt von Lärm, Randale und Verunreinigung“. Darüber hinaus fordert LindA mehr Präsenz der Ordnungskräfte zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens und die Veröffentlichung der Außenwirtschaftskapazitäten aller Kneipen.

An das LindA-Motto „Dialog statt Konfrontation“ glauben manche Altstadt-Wirte nicht. „Ich bin enttäuscht, dass LindA nie die Gastronomen direkt angesprochen hat“, erklärt ein Wirt der ungenannt bleiben will. Auch als die Kneipen Mohr, Sonderbar, Jinx, Reichsapfel, Palmbräugasse und Destille Plakate mit Parolen wie „Bleibt zu Hause, wir wollen euch nicht“ in der Unteren Straße aufhängten und sich mit einigen LindA-Forderungen solidarisierten, habe die Initiative nicht reagiert. OB Würzner veranlasste inzwischen eine schärfere Kontrolle der Ausschank- und Sperrzeiten der Kneipen, da der Druck der unzufriedenen Bewohner auf ihn weiter wächst.

Auch Studentin Nadja, Bewohnerin der Unteren Straße, erlebt den ständigen Vandalismus und die Verschmutzung vor ihrer Haustür. Um schlafen zu können, benutzt sie Ohrstöpsel. „Das geht, wenn man Studentin ist. Aber wenn man am nächsten Tag arbeiten muss, ist das wirklich hart“, gesteht die 23-Jährige. Die Forderungen der Initiative versteht sie, sieht aber wenig Möglichkeiten klare Regelungen zu treffen.

ruprecht, Ronja Ritthaler, 10.11.09



ruprecht Kommentar

Die Zeichen stehen auf Sturm in der Altstadt. Wenn sich jetzt sogar die Gastronomen über die Zustände beschweren und Plakate gegen ihre eigenen potentiellen Gäste anbringen, kann doch was nicht stimmen. Alkoholgenuss und Partystimmung in allen Ehren, aber das was sich jede Woche nachts in der Altstadt abspielt, hat schon lange nichts mehr mit ausgelassenem Feiern zu tun. Wenn Fahrräder mutwillig beschädigt, Fensterscheiben eingeschlagen werden und in jede Ecke alle erdenklichen Körperflüssigkeiten fließen, erinnert das bestenfalls an ein vernachlässig tes Affengehege im Zoo.

ruprecht, Carolin Dreßler, 10.11.09


> via ruprecht.de Heidelberger Studierenden-Zeitung (Datum/Abruf: 10.11.09/12.11.09)