Heidelberg: Altstadt - Party pur,
Altbierbowle bis zum Umfallen (03.11.09)

Betr.: Ablehnung des Bebauungsplans für die östliche Altstadt.
(Die FDP meint, die Zulässigkeit neuer gastronomischer Betriebe werde zu restriktiv reguliert
)



Sehr geehrte Frau Hommelhoff,


die FDP begründet die Ablehnung des Bebauungsplans für die östliche Altstadt wie folgt:

„Wir haben gegen diesen Plan gestimmt, weil er nach unserer Meinung die Zulässigkeit neuer gastronomischer Betriebe zu restriktiv reguliert.“


Von der Bürgerinitiative LINDA werden solche Positionen sicher aufmerksam registriert, denn ob sich Liberalismus in der Ökonomie auch als Glaubensbekenntnis in der Heidelberger Altstadt eignet, darf zumindest bezeifelt werden. Wenn die Freiheit des Individuums dem wirtschaftlichen Egoismus einzelner geopfert wird, wäre eigentlich die Grundüberzeugung von Liberalen gefragt.

Ob das freie Spiel der Kräfte in der Altstadt funktioniert, kann selbst bezogen auf solche Wirte bezweifelt werden, die für das Anliegen der Anwohner auf den ersten Blick Verständnis zeigen, als Gastronomen die Initiative ergreifen, wie etwa der Betreiber des „Reichsapfel“, Herr Rohr, DEHOGA-Vertreter am „runden Tisch“, heißt es doch auf der Homepage von Heidelberg Marketing


Margret Hommelhof, Bebauungsplan, Bürgerinitiative Linda, Lärm, Lärmbelästigung, Krach, Grölen, Gröler, Ruhestörung, Nachtruhe, Dreck, Randale, Trinken, Saufen, Kotzen, Pinkeln, Untere Strasse, Saufmeile„Am späten Abend gibt es hier fast nur noch Stehplätze,
dafür Party pur und Altbierbowle bis zum Umfallen“





Wer das als „lockeren Spruch“ wertet, mag gutwillig sein, vielleicht aber auch naiv, denn offenbar ist die Kategorie des „immer mehr“ eine Qualität, die überzeugen soll, selbst wenn jemand dabei im Suff den Boden unter den Füßen verliert.

Und damit möchte ich einen Bogen spannen zu einem Beitrag in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 22.10.2009, der alle nachdenklich stimmen wird, denen Städte am Herzen liegen, die kulturelles Erbe repräsentieren.

„Fauler Zauber, Venedig verkommt zur Fassade. 22 Millionen Touristen pro Jahr vertreiben Einwohner aus ihrer Stadt. Den Bürgermeister schert das wenig. Hilferuf eines Einheimischen.“

In 10 Jahren, sehr geehrte Frau Hommelhoff, ist die Zahl der Touristen von 7 Millionen auf 22 Millionen gestiegen, weil sich eine Stadtverwaltung der Diktatur ökonomischer Interessen beugt.

Nun lässt sich die Situation Venedigs zweifellos nicht mit der von Heidelberg vergleichen. Und gleichwohl können wir lernen: Welche Auswirkungen hat ungebremstes Wachstum auf eine Stadt, der schon räumlich, geographisch Grenzen gesetzt sind?

Ist es eine Qualität, wenn sich in 10 Jahren die Kneipen in der Altstadt verdoppelt haben? Wollen wir das? Welche Kräfte des Marktes sollen das verhindern? Wenn das die Freiheit des Individuums bedroht, die Lebensqualität von 11.000 Altstadtbewohnern, dann ist doch gerade eine Partei gefragt, die sich traditionell solchen Werten verpflichtet fühlt, - oder?

Es erstaunt deshalb, dass ausgerechnet die FDP sich einem Votum widersetzt, das eher Ausdruck der Nachdenklichkeit und des Innehaltens ist. Erfreulicherweise haben sich mehrere Gemeinderätinnen und Gemeinderäte – auch der Oberbürgermeister – inzwischen eines Problems angenommen, das weit über das Thema „Lärm, Dreck und Randale“ hinausgeht. Denn unser Problem, das viele von uns nicht schlafen lässt, ist auch Ausdruck einer fehlenden Gesamtkonzeption für die Altstadt, - also ist Gestaltung gefragt.

Der empfohlene Beitrag in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ ist überaus spannend und wirft die Frage auf, ob Deregulierung im konkreten Fall nicht die Raffgier oder Rücksichtslosigkeit weniger befördert und die Freiheit vieler gefährdet.

Wie würde, sehr geehrte Frau Hommelhoff, die FDP in Venedig entscheiden?



Mit besten Grüßen
F. Dänekamp







siehe auch:

> Margret Hommelhof: Ablehnung 'Bebauungsplan östliche Altstadt'
(Stadtblatt, 28.10.09)


> Margret Hommelhof: 'Konstante Kneipenzahl in der Altstadt?'
(Stadtblatt, 14.03.01)


  1. gravatar

    # by Anonym - 09.11.09, 13:16

    Weitere 'lockere Sprüche' reicht die ehrwürdige Rhein-Neckar-Zeitung am 14.05.2009:

    "Auf der Unteren Straße ist fast kein Durchkommen. Wochenende. Im lauen Abenddunkel labt sich das Heidelberger Party-Völkchen dichtgedrängt an kühlen Bieren.

    Drinnen, in der Destille, ist Platz genauso rar ­ und fördert zumindest mal den Austausch von Körperwärme (Randnotiz: Man stelle sich mal vor, wie hier einer die von der Stadt bezuschusste 'Nette Toilette' aufsuchen möchte).

    Was ... zur Steigerung der allgemeinen Lebensfreude angeboten wird, hört auf verheißungsvolle Namen: 'Zeitbombe', 'Schwarzpulver', 'Schüttelfrost' oder 'Warmer Erpel'. Und wer sich noch mehr zutraut, bestellt in fröhlicher Gesellschaft das Umdrehungsreiche gleich als kostengünstigere 'Meterware'."

    Und weiter: "Nicht reduzieren müssen indes die Gäste ihren Verbrauch von Mehrprozentigem. Zumal es ab 50 Euro die patentgeschützte 'Schluck & More Card' gibt ­ Rabatt nach Destille Art."

    Wem's dann immer noch nicht reicht bitte 'vis à vis' vorbeischauen ... "Absinth bis ihr euch die Ohren abschneidet"

    Wenn die Nacht dann - wie üblich - in der Bussemer- oder Pfaffengasse 'ausklingt' will's dann - wie immer - keiner gewesen sein.

    Die Körpersäfte entsorgen dann morgens die Anwohner.

  2. gravatar

    # by Anonym - 27.05.10, 14:16

    Die Geister die ich rief...

    z.B.
    Mel's, Heiliggeiststr. 1

    ALL YOU CAN DRINK: 12 €

    http://img687.imageshack.us/img687/7260/melsallyoucandrink.jpg


    "Am Donnerstag gibt es das für Heidelberg einzigartige "All you can drink". Hierbei wird meinen Erfahrungen zufolge immer darauf geachtet, dass es nicht zu voll wird, sodass man schnell an seine Getränke kommt. Es kommt nicht selten vor, dass die Gäste schon eine halbe Stunde vor Ladenöffnung (20 Uhr) anstellen, um sich den besten Platz zu ergattern bzw. mehr Zeit haben, zu trinken."

    www.qype.com/place/3063-Mels-Bar-Heidelberg