Brief Franz Dänekamp - OB Würzner (24.09.09)

Die Delegation von hoheitlichen Befugnissen
auf eine private Konzertgesellschaft (André Rieu)

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Antwortbrief: OB Dr. Eckart Würzner an Franz Dänekamp, 06.11.09

Betreff: Konzert mit André Rieu auf dem Kornmarkt




Sehr geehrter Herr Dänekamp,

vielen Dank für die Schilderung Ihrer Eindrücke über den Ablauf rund um das Konzert mit Andre Rieu.

Ich bedauere, wenn es durch die Veranstaltung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen gekommen ist.

Ziel des für Sondernutzungen zuständige Bürgeramtes war es, zusammen mit dem Amt für Verkehrsmanagement, in einer Vielzahl von Gesprächen mit dem Konzertveranstalter sicherzustellen, dass die Belastungen für die Anwohner so gering wie möglich gehalten werden. Das führte zu einer Vielzahl von Auflagen, die u.a. auch sichergestellt haben, dass die Anwohner und ihre Besucher jederzeit, vor allem auch während des Konzertes, Zugang zu ihren Häusern und Wohnungen hatten.

Um diese wichtige Auflage zu erfüllen, hat der Veranstalter sog. Besucherausweise ausgegeben. Während der gesamten Nutzungsdauer des Kornmarktes durch den Konzertveranstalter hat weder das Bürgeramt noch das Amt für Verkehrsmanagement einen Hinweis bekommen, dass das vom Veranstalter eingesetzte Ordnungspersonal sich fehlverhalten hätte. Ich kann Ihnen versichern, dass in einem solchen Fall umgehend Abhilfe geschaffen worden wäre.

Ihren Vorschlag, dass diejenigen, die in der Altstadt leben und arbeiten, in einem Dialog eintreten sollen, habe ich, wie Sie der aktuellen Presseberichterstattung entnehmen können, mit dem Gesprächskreis Pro Altstadt, bereits umgesetzt. Ihre Vorstellungen können in diesen Kreis gerne eingebracht werden.



Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eckart Würzner





Antwortbrief: Franz Dänekamp an OB Dr. Eckart Würzner, 09.11.09

Betreff: Konzert mit André Rieu auf dem Kornmarkt



Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Würzner,

vielen Dank für Ihr Schreiben in der im Betreff genannten Angelegenheit.
Leider trifft es nur teilweise das Thema meines Anliegens und die Kernaussage meines Schreibens, wenngleich deutlich wird, dass Sie nach Lösungsmöglichkeiten suchen.

Die von mir beschriebenen Probleme sind ein Hinweis darauf, dass die enge Altstadt mit den Auswirkungen einer derartigen Großveranstaltung überfordert war:

  • Die Sondernutzungen erfassten nicht nur den Kornmarkt. Vielmehr waren auch die umliegenden Straßen betroffen, und zwar so, dass der Zugang zu Häusern und Wohnungen nur noch eingeschränkt möglich war (Anwohnerausweis), teilweise auch gar nicht mehr (Besucher). Entweder war die Sondernutzungserlaubnis rechtswidrig, oder der Veranstalter hat sie überschritten. Fehler passieren, aber Wiederholungen müssen vermieden werden.

  • Die Erteilung von „Anwohnerausweisen“ oder die Verkehrsregelung kann nicht einem privaten Veranstalter überlassen werden. Großveranstaltungen sind stets kostenträchtig, weil hoheitliche Befugnisse wahrgenommen werden müssen, also ein entsprechender Personalaufwand durch Ordnungskräfte entsteht. Kommunen versuchen bisweilen, solche Aufgaben kostenneutral zu gestalten, indem sie ihre Aufgaben delegieren. Auch das geht nicht.
Die Heidelberger Altstadt ist vielfältigen Belastungen ausgesetzt, sodass sich ganz grundsätzlich die Frage stellt, ob weitere Sondernutzungen durch Großveranstaltungen noch „aufgesattelt“ werden können. Deswegen fordert die Bürgerinitiative „LINDA“ ein Gesamtkonzept für die Altstadt, das die Rahmenbedingungen im Spannungsfeld zwischen Wohn- und Marketinginteressen definiert. Die betroffenen Ämter, die Sondernutzungserlaubnisse erteilen, benötigen meines Erachtens ebenso Leitlinien wie die Heidelberg Marketing GmbH.

Sie haben neulich zum Ausdruck gebracht, dass der Wohnwert in der Altstadt höchste Priorität hat. Diese Aussage ist von immenser Bedeutung, sie ist eine wichtige Positionierung des Oberbürgermeisters, aber sie muss auch mit Leben gefüllt werden, denn anderenfalls besteht die Gefahr, dass Heidelberg zur Fassade verkommt, wenn nämlich Anwohner resignieren und irgendwann die Flucht ergreifen.

„Lärm, Dreck und Randale“ sind die Auswirkungen einer Entwicklung, die irgendwann in den vergangenen Jahren zu Lasten der Altstädter gekippt ist. Das kann noch nicht einmal dem Interesse derjenigen entsprechen, die Heidelberg „vermarkten“ wollen, weil die Stadt unattraktiv wird, wenn die Rücksichtslosigkeit dominiert.

Im Jahre 2004 hatte die Stadt Heidelberg eine Empfehlung für nachhaltigen Tourismus ausgesprochen:

„Touristen fühlen sich dort wohl, wo sich Einheimische zu Hause fühlen.“

Mit dieser Aussage identifiziert sich auch die Bürgerinitiative „LINDA“ und macht damit deutlich, dass Offenheit, Lebendigkeit und Vielfalt den Charme dieser Stadt ausmachen und ausmachen sollen.

Das könnte auch das Motto für den Gesprächskreis Pro Altstadt sein, der Tenor eines Dialogs, den ich persönlich begrüße.


Mit freundlichen Grüßen
F. Dänekamp