RNZ: Heidelberg - "Wenn in der Altstadt so richtig die Post abgeht" (31.08.09)

Wenn in der Altstadt so richtig die Post abgeht

Auf Tour in der Altstadt: Ursula Lorenz, Karl-Heinz Winterbauer und Klaus Pflüger
von der FWV verschafften sich einen Einblick.

Zwei Seiten kennt das Heidelberger Nachtleben: Einerseits erfreut das fröhliche bunte Treiben an warmen Sommerabenden die Besucher. "Wie auf südeuropäischen Plätzen", heißt es dann. Andererseits fallen Horden von Jugendlichen in die Stadt ein, feiern haltlos und torkeln spät nachts krakeelend durch die Altstadt [...]. Zurückbleiben leere Flaschen, Urinpfützen und aufgebrachte Anwohner [...].

Um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen, brach am Wochenende ein kleines Grüppchen der Freien Wähler Vereinigung (FWV) zusammen mit den Stadträten Ursula Lorenz und Klaus Pflüger zum Ortstermin in die Untere Straße auf. [...] sei man verpflichtet, vor Ort Präsenz zu zeigen, um später gemeinsam im Gemeinderat und mit Bürgermeister Wolfgang Erichson an einer Lösung arbeiten zu können. Das wichtigste Arbeitsutensil war für Pflüger dabei eine kleine Videokamera, mit der er [...] dokumentierte.


"Bei der Kamera bekomme ich auch den Ton mit drauf", erklärte Pflüger – schließlich ist es vor allem der Lärmpegel, der die Anwohner um den Schlaf bringt. [...] "Natürlich ist hier ein bestimmter Geräuschpegel, wenn alle auf der Straße stehen. Schlimm ist es nur, wenn verschiedene Gruppen sich kreischend begegnen." Besonders die Gruppen, die von weither anreisen, um [...] Junggesellenabschiede zu feiern, sind Anwohnern und Lokalpolitikern ein Dorn im Auge. Sie sind meist laut, stark alkoholisiert, und sie bringen ihre Getränke selbst mit. Rund ein halbes Dutzend solcher feiernder Gruppen [...] können die Freien Wähler beobachten. Auf den Fensterbrettern stehen unzählige leere Schnapsfläschchen. "Es sind ja nicht die Heidelberger", wird gemutmaßt.

Angeregt wird auch über die Toilettenproblematik diskutiert. [...]. Ein echtes Problem sieht er aber im Straßenverkauf von Alkohol. Ein "Nachtkiosk" verkauft Flasche um Flasche an die Partygänger – eigene Toiletten bietet er aber nicht. "Wir brauchten hier auch mehr Polizeistreifen, die zu Fuß unterwegs sind", fordert Karl-Heinz Winterbauer [...].


Einig sind sich die Freien Wähler aber auch in einem entscheidenden Punkt: "Wir wollen ja eine junge, lebendige Stadt sein", so Pflüger, "da darf diese Szene nicht kaputt gemacht werden." Deshalb werden mit Wohlwollen auch die guten Ansätze bemerkt. Vor den Kneipenwerden Gläser eingesammelt, die meisten Gäste nutzen die angebotenen Toiletten, die Stimmung ist weithin friedlich und vergleichsweise ruhig.

Doch auch, wenn sich etwas ändern muss: "In ein paar Wochen ist das hier doch sowieso vorbei", schmunzelt Pflüger. Ein kalter Herbst würde dann die Feiernden in die warmen Schankräume treiben. [...].

Von RNZ, Sören Sgries (Foto: Hoppe)
> via rnz.de (Datum/Aufruf: 31.08.09)




Reaktionen per Mail: Frau Gräf <--> Herr Pflüger


Sehr geehrter Herr Pflüger, 

als geplagte Altstadt-Bewohnerin las ich in der heutigen RNZ mit großem Interesse von Ihrem Rundgang durch die spätabendliche Altstadt. Ihre Aussage, mit der Sie am Ende des Artikels zitiert werden, lässt einen nur ungläubig mit dem Kopf schütteln. Denn sie zeugt von erschreckender Kurzsichtigkeit und Unüberlegtheit. Sicher, wenn die Tage kälter werden, zieht es die Besucher in der Unteren Straße eher ins Innere. Doch schließlich herrschten auch bei Ihrer Begehung an diesem Wochenende keine hochsommerlichen Temperaturen (was man auch gut an der Kleidung von Ihnen und Ihren Kollegen erkennen kann) und es war der Teufel los.

Die Kneipenbesucher, die direkt vor den Kneipen stehen (ein Problem, das sich aufgrund des Rauchverbots im Winter auch nur teilweise lösen wird), sind nur ein kleiner Bruchteil des Gesamtproblematik. Denn auch im Herbst und Winter werden die volltrunkenen Besucher der Kneipen sich nicht direkt vom Schankraum in ihre Wohnung "beamen" können, sondern werden weiterhin laut grölend, kreischend (wie im RNZ-Artikel vor einigen Tagen gut beschrieben wurde: Oft wird um Hilfe gerufen - jedes Mal stellt sich die Frage: albern Betrunkene nur herum oder benötigt jemand wirklich Hilfe?) urinierend und sich übergebend, evtl. auch noch sich prügelnd, durch die Altstadtgassen ziehen. Zudem "droht" schließlich auch noch der mehrwöchige Weihnachtsmarkt, der ebenfalls für einen gründlich erhöhten Alkoholspiegel der Altstadtbesucher sorgen wird.

Die Situation wird sich also mitnichten in den nächsten Wochen entspannen. Auch möchte ich Sie nochmals daraufhinweisen, dass die Lärm-Dreck-Problematik nahezu die gesamte östliche Altstadt betrifft und nicht nur die Untere Straße und Hauptstraße. Ich selber wohne in der Kettengasse, die mit der Diskothek "Tangete" am oberen Ende einen großen Anziehungspunkt für Nachtschwärmer bietet. Doch auch in Straßen, in denen sich keinerlei Kneipen finden, zeigen sich die Überreste der vergangenen Nächte überdeutlich. Gehen Sie einmal von der Grabengasse durch die Seminarstraße und dann hinunter durch die Kettengasse und dann weiter in die Merianstraße. Vor zwei Wochen zählte ich auf dieser kurzen Strecke sage und schreibe 17 Pfützen aus Erbrochenem! Da ich diese Strecke mehrmals pro Woche laufen muss, kann ich leider bestätigen, dass das kein EInzelfall war. Tagelang sind diese unapettitlichen Überreste noch für jedermann - also auch die so herbeigesehnten Touristen- sichtbar.

Es führt daher kein Weg daran vorbei, mehr Gelder und damit Personal für nächtliche (und damit meine ich wirklich nachts! Wie oft musste ich noch um halb vier die Polizei verständigen!) Kontrollen zur Verfügung zu stellen!


Mit freundlichen Grüßen
Cornelia Gräf






Sehr geehrte Frau Gräf,

ich bedaure sehr, dass Sie nur die aus Ihrer Sicht falsche Aussage, bei kühlem Wetter wird die Situation etwas entspannter die falsche Schlussfolgerung ziehen ich würde die von Ihnen zu Recht geschilderten Zustände tolerieren.

Dies ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil, die Freien Wähler, bisher als einzige Vertreter des Gemeinderates, haben sich am Samstag von 24 Uhr bis 3 Uhr einen umfassenden Eindruck verschafft welche unhaltbaren Zustände in der Altstadt herrschen. Wir werden im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag einbringen um Abhilfe zu schaffen. Sie haben recht, wenn Sie die Ansicht vertreten dass nur permanente Kontrollen etwas bringen.

Wir haben übrigens mehrfach eine Zweimanngruppe des Gemeindevollzugsdienstes gesehen und diese auf erkennbare Mißstände hingewiesen. Die Freien Wähler werden am Ball bleiben bis wieder bewohnbare Zustände herrschen. Gerne nehmen wir diesbezügliche Anregungen und Verbesserungsvorschläge an. Wie Sie sicher auch dem Artikel entnehmen konnten, habe ich vieles auf Video bereits festgehalten.


Mit freundlichen Grüßen
Klaus Pflüger





Sehr geerhte Frau Gräf, 

im Nachgang zu unserem e-mail Wechsel.

Die Freien Wähler hatten heute ein sehr ausführliches Gespräch mit Herrn Bgm. Erichson über zu treffende Maßnahmen. Wir haben mit Ihm eine ganze Reihe von Maßnahmen besprochen die er in den nächsten Wochen/Monaten umsetzen wird. Gleichzeitig wurde ein runder Tisch ab nächste Woche in regelmäßiger Folge eingerichtet an dem Wirte und Beroffene teilnehmen.

Wir selbst werden im Januar eine aktuelle Stunde im Gemeinderat beantragen um festzustellen inwieweit die versprochenen Maßnahmen ausgeführt wurden und gewirkt haben.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns im Januar Ihre eigenen Feststellungen mitteilen könnten.

Sie sehen, wir informieren uns nicht nur, auch wenn die RNZ nicht so scharf formulierte wie wir es sagten, wir handeln auch.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Pflüger

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