Jahresbericht 2008

Bürger für Heidelberg
Jahresbericht 2008, Altstadt

• Leben in der Altstadt •

Die Situation in der Altstadt hat sich leider im letzten Jahr nicht entspannt, auch wenn Polizei und Stadtverwaltung regelmäßig melden, dass gewaltsame Streitigkeiten rückläufig seien und weniger Beschwerden von den Anwohnern eingingen. Letzteres liegt vor allem daran, dass viele Bewohner resigniert haben, vergeblich auf nächtlich gerufene Ordnungskräfte zu warten oder dass sie ganz aus der Altstadt weggezogen sind. Polizei und Stadtverwaltung gestehen aber ein, dass Lärmexzesse, Vandalismus und unappetitliche Verschmutzungen von Straßen und Hauseingängen ein permanentes Problem darstellen.

Wir können den Betroffenen nur nach wie vor raten und sie darum bitten, bei Störungen sofort die Polizei zu rufen UND sich gleichlautend unmittelbar (auch nachts; die Uhrzeiten werden registriert!) beim Ordnungsamt zu beschweren, E-Mail: Dezernat4@Heidelberg.de.

Verschärft hat sich die Lage durch das Verhalten sog. „Rucksacksäufer“, die ihren Alkohol mitbringen. Das ärgerliche Auftreten solcher Gruppen wird allerdings von den Wirten dazu benutzt, um von den massiven Störungen abzulenken, die nach wie vor von den Gaststätten und ihren Gästen ausgehen. Die zeitliche und räumliche Ausweitung der Außenbewirtschaftung trägt nicht zur Beruhigung der Altstadt bei (bis 24 Uhr und zusätzlich: z.B. Karlsplatz etc.) Solche Maßnahmen haben zur Folge, dass die Lärmstörungen sich weiter in die frühen Morgenstunden erstrecken und dass noch mehr Besucher in die Altstadt gezogen werden – mit den entsprechenden Folgeproblemen.

Eine Anwohnerinitiative vom Marktplatz in Neuenheim hat wegen ähnlicher Probleme eine Lärmprognose in Auftrag gegeben und erwägt ein juristisches Vorgehen. Gewisse Hoffnungen verbinden wir mit der personellen Aufstockung des städtischen Ordnungsdienstes. Vielleicht führt dies auf lange Sicht zu einer Verbesserung der Situation, auch wenn die neu eingestellten Ordnungskräfte nicht nur für die Altstadt, sondern z.B. ebenfalls für die hoch problematische Neckarwiese zuständig sind.

Mit leicht skeptischer Erwartung sehen wir dem Versuch entgegen, erneut einen Runden Tisch in der Altstadt einzurichten. Das soll diesmal allerdings unter der Leitung eines neutralen Moderators erfolgen und nicht unter dem Vorsitz der Verwaltung. Wohngebiet oder Vergnügungsviertel? -Dieser zentrale Zielkonflikt der Altstadt ist nach wie vor ungelöst. Und es stellt sich immer wieder die Frage: Wie viele Besucher verträgt ein Stadtteil, ohne dass seine Bewohner vertrieben werden? Hinzu kommt, dass bei den geplanten Großprojekten die Interessen der oft schon seit Generationen in der Altstadt lebenden Bewohner aus dem Blickfeld geraten sind. (Beispiele: Kinderspielplatz am Anna-Blum-Haus ohne Vorankündigung geschlossen, Parkplätze am Theater ersatzlos gestrichen, auch der Carsharing-Platz, Teilsperrung der Plöck für Fahrräder in West-Richtung etc. – und das alles, ohne den Bezirksbeirat zu informieren oder zu hören).

Wir müssen leider davon ausgehen, dass sich durch die Großprojekte die Belastungen für die Menschen in der Altstadt weiter drastisch erhöhen werden.

• Bebauungsplan Östliche Altstadt •
Der Bebauungsplan Östliche Altstadt, den wir seit Jahren gefordert haben, liegt inzwischen öffentlich aus und soll demnächst im Gemeinderat zur Abstimmung kommen. Wir haben uns mit dem Entwurf intensiv beschäftigt und die Möglichkeit genutzt, im Vorfeld Anmerkungen und Vorschläge zu machen, die zu Verbesserungen führten. Auf diese Weise konnte u.a. dem Wohnen in einigen Gebieten ein gewisser Schutz eingeräumt werden. In dieser Angelegenheit wurden mit Frau Friedrich und Herrn Rees vom Stadtplanungsamt konstruktive Gespräche geführt. Auch wenn nicht alle unsere Vorstellungen und Wünsche umgesetzt wurden, begrüßen wir den Bebauungsplan Östliche Altstadt. Dass eine schnelle Verabschiedung dringend notwendig ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass ständig neue gastronomische Betriebe in die Altstadt drängen.

• Innenstadtforum / Einkaufsmagnet •
Im ersten Halbjahr 2008 richtete die Verwaltung ein "Innenstadtforum" ein, einen Gesprächskreis mit 24 Teilnehmern, der von einer auswärtigen Firma moderiert wurde und nur vier Mal tagte. Dieses Forum sollte über die Stärkung des Einzelhandels in Heidelberg beraten und dem Gemeinderat dazu einen Vorschlag unterbreiten.

Leider wurden lediglich Diskussionen über die Art von Einkaufsmagneten in der Altstadt zugelassen; nicht aber über die städtebauliche und wirtschaftspolitische Fragwürdigkeit solcher Projekte. Den Vertretern der BÜRGER FÜR HEIDELBERG und der ILA (Initiative Lebenswerte Altstadt) wurde immer wieder untersagt, grundsätzliche Fragen anzusprechen. Überdies war das Forum so besetzt, dass die Ergebnisse praktisch schon vorstrukturiert waren.

Aus Protest gegen die Einseitigkeit dieses Vorgehens und der Moderation verließen die Vertreter der BÜRGER FÜR HEIDELBERG und der ILA das Innenstadtforum vor der letzten Sitzung. Wir wollten nicht weiter die uns zugewiesene Alibi-Funktion einer „Bürgerbeteiligung“ erfüllen. Nach unserem Austritt empfahl das Innenstadtforum dem Gemeinderat die „Knochenlösung“ zweier Einkaufsschwerpunkte; eine Lösung, die in einem dem Forum vorgelegten Gutachten ausdrücklich als ungünstig dargestellt war, die aber von der Stadtverwaltung schon im Vorhinein favorisiert wurde.

• Kongresszentrum / Stadthallenerweiterung •
Die Stadthalle durch einen Erweiterungsbau zur Aufnahme größerer Kongresse auszubauen, halten wir weiterhin für falsch. Dies würde nicht nur das Bild der Altstadt beeinträchtigen, eine Überbauung des Montpellierplatzes widerspräche auch dem Ziel "Stadt an den Fluss". Außerdem würde sich hier eine ungünstige Klimabeeinflussung ergeben, wie ein von der Stadt bestelltes Gutachten ergab.

Der Gemeinderat hatte sich vor einigen Jahren nach langen Diskussionen für ein kombiniertes Hotel-Kongresszentrum mit dem Standort am Bahnhofsareal entschieden; denn hier soll nach dem 1999 beschlossenen „Modell Räumliche Ordnung“ das Zentrum der zukünftigen Stadtentwicklung liegen, nämlich auf der Kreuzung der Achsen Bismarckplatz-Bahnstadt und Neuenheimer Feld-Kirchheim. Der Gemeinderat stoppte aber die laufende Ausschreibung für dieses Projekt und beschloss stattdessen eine Erweiterung der Stadthalle. Hier bleibt allerdings vieles ungeklärt und mit der Altstadtsituation unverträglich. Nach dem jetzigen Stand soll eine Tiefgarage unter den Jubiläumsplatz gebaut werden. Die würde zusätzlichen Verkehr anziehen und damit die Beruhigung des Neckarstadens konterkarieren.

Auch halten wir es für einen Fehlschluss, dass viele Kongressteilnehmer in der Altstadt einkaufen und so merklich zur Belebung des Einzelhandels beitragen würden. Kongressfachleute empfehlen heute die Integration von Hotel und Kongressräumlichkeiten. Ein Kongresshotel ist an der Stadthalle allerdings nicht unterzubringen.

• „Stadt am Fluss“ ohne Neckarufertunnel •
Wir haben uns schon immer für eine „Stadt am Fluss“ eingesetzt (z.B. haben wir 1974 die Verbreiterung der B37 am Neckar verhindert und 1998 alternative Planungen für einen Tunnel durch den Königstuhl vorgelegt). Auch wir sind dafür, dass der Neckarstaden soweit wie möglich vom Verkehr entlastet wird.

Eine "autofreie" Straße, auf der Kinder spielen können, wie immer wieder von OB Würzner (zuletzt in der RNF-Sendung vom 10.04.09) erklärt, wird es dort allerdings nie geben können. Denn außer dem Individualverkehr von Anwohnern und Zulieferern müssen dort auch Notdienste, Taxen etc. und der Öffentliche Nahverkehr, d.h. Busse verschiedener Linien (allein zum Uniplatz alle 5 Minuten) fahren.

Der geplante Neckarufertunnel reduziert zwar den Verkehr auf dem Neckarstaden, verschiebt ihn aber z.T. in andere Straßen. Laut Prognose werden beispielsweise die Zwingerstraße um 63%, der obere Neckarstaden um 88% und die Rohrbacher Straße um 21 % zusätzlich belastet. Für eine Entlastung des Neckarstadens vom Verkehr kann sicher noch viel getan werden. Hier sind intelligente Verkehrslösungen und -alternativen gefragt, über die bislang nicht ernsthaft diskutiert wurde.