AHGZ: Die Heidelberger Altstadt darf kein Ort fürs nächtliche Amüsement werden (04.01.03)

Allgemeine Hotel- und Gasstättenzeitschrift, 04.01.03

Die Heidelberger Altstadt darf kein Ort fürs nächtliche Amüsement werden:

Selbst aparte Nachteulen müssen ihr spätes Pils in der Peripherie genießen.
Alt-Heidelberger sollen ruhig schlafen


Im Dezember vergangenen Jahres hat das Land die Sperrzeiten für Gaststätten gelockert. Doch ausgerechnet in der Touristikhochburg Heidelberg will die Stadtverwaltung davon nichts wissen.

(...) Sie wollen die neue Sperrzeitregelung, nach der die Kneipen unter der Woche bis zwei und am Wochenende bis drei Uhr offen bleiben dürfen, nicht umsetzen zumindest nicht in der Altstadt. (...) Im ganzen Stadtgebiet dürfen die Leute bis um zwei oder drei Uhr sitzen bleiben, nur in der Altstadt gehen die Lichter schon vorher aus. Die Regelung gilt, dank eines Einspruchs der CDU, vorerst bis März. Nach einer Anhörung des Bezirksbeirats will der Rat Mitte Februar endgültig entscheiden.

(...) Doch die Zielrichtung der Verwaltung ist klar. „Wir möchten das als Dauerregelung“, erklärt der Leiter des Amts für öffentliche Ordnung, Heiner Bernhard (...) man könne den Bewohnern der Altstadt längere Öffnungszeiten nicht zumuten. „Sie würden ein einigermaßen ungestörtes Wohnen dort nahezu unmöglich machen“, (...).

Sie (Anm.: OB Weber) verstehe zwar die Wirte, doch angesichts der Ballung der Gaststätten in der Altstadt gingen dort die Bedürfnisse der schlafbedürftigen Nachbarn vor. „So fällt Heidelberg hinter Trochtelfingen zurück“, sagt der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes, Bernd Fellmer (...). „Da lacht das ganze Ländle.“

Michel Markert, Wirt der Reichskrone, meint: „Das ist doch so, als würde man sagen: In ganz Nordrhein-Westfalen darf bis drei Uhr offen bleiben, nur Düsseldorf schließt um eins. Oder ganz München lockert die Sperrzeit, nur Schwabing macht zwei Stunden vorher dicht. (...)“


Den Wirten ist allerdings nicht zum Lachen. Die Umsatzeinbußen seien bereits jetzt klar erkennbar, klagen sie. Die Gäste zögern einfach ein Stück weiter, (...). Viele Lokalbetreiber fürchten, dass sich die Kneipenszene in nächster Zeit Richtung Bergheim, Weststadt und Bahnhof verlagern wird. Oder noch schlimmer: dass viele Gäste ganz wegbleiben (...).

„Wenn wir langfristig weitermachen wollen, kommen wir um eine Lockerung gar nicht herum“, meint deshalb Jürgen Merz, Chef der Kulturbrauerei (...). Sie veranstalten hier Firmenessen, Kongressabende und Familienfeiern. „Das ist kein Publikum, das die Ruhe stört“, sagt Merz. „Aber die wollen auch nicht immer um ein Uhr gehen.“

Wie seine Kollegen appelliert er deshalb an die Stadt, es doch einmal zu probieren mit der neuen Verordnung, um zu sehen, ob es überhaupt Probleme gibt. (...). „Wir planen ein Kongresszentrum, wir wollen eine internationale Stadt sein, da können wir doch die Gastronomie nicht so abblocken.“ „Ungastlich“ sei die Stadtverwaltung, schimpft sein Kollege Dieter Stendel von der Destille. „Sie spielt die Wirte und Bewohner gegeneinander aus, dabei ist das Verhältnis traditionell gut.“

Diesen Vorwurf will die Stadt nicht auf sich sitzen lassen. (...). „Wir haben in der Altstadt die größten Probleme“, sagt der Chef des Ordnungsamtes. „Derzeit haben wir die Sache in der Balance. Doch wenn sie verrutscht, gibt es wieder Ärger(...).“

Dem hält die IHK entgegen, (...) Als weltoffene Stadt solle Heidelberg den Leuten nicht vorschreiben, wie lange Gaststätten offen sein dürfen. Die Sperrzeit sei ein bürokratisches Relikt. Der Verein Alt-Heidelberg will sich (...) mit Empfehlungen lieber zurückhalten. „Das Thema ist heikel“, sagt der Vorsitzende. „Wir möchten nicht die Hälfte unserer Klientel vor den Kopf stoßen.“

> via ahgz.de, Johanna Eberhard, 2003/1