RNZ: Runder Tisch 'Pro Altstadt' (12.11.09)

Immerhin: Man redet miteinander

Dass in der Altstadt Bewohner, Stadt, Polizei und Wirte zueinander finden, das wird noch einige Zeit dauern. Auch beim ersten "Runden Tisch" am Dienstag abend im Rathaus hatten es vor allem Anwohner und Wirte schwer mit der Annäherung, (...).

Am Anfang der dreieinhalbstündigen Gespräche standen Verfahrensfragen, die zeigen, wie tief Frust und Misstrauen der Anwohner sitzen. Vertreter der Bürgerinitiativen beklagten, sie seien über Ablauf und Tagesordnung dieser ersten Runde Tisch Sitzung (...) nicht informiert worden. (...) "Wir wollen wissen, welche Maßnahmen die Stadt Heidelberg ergriffen hat, und was sie plant", meinte Jochen Goetze von "Biest", der Vereinigung gegen die Stadthallenerweiterung. Und so stand das Ganze schon 20 Minuten nach Beginn der Sitzung vor dem Abbruch, denn die Moderatoren hatten ein anderes Konzept im Sinn (...).

Nach einer Sitzungsunterbrechung verständigten sich die Altstadt-Initiativen darauf, trotz der Missverständnisse weiter am Runden Tisch zu bleiben. Oberbürgermeister Eckart Würzner zeigte sich flexibel, was die Tagesordnung angeht (...).

(...) Bernd Köster vom Bürgeramt (...): Die Anzahl der Lokale in der östlichen Altstadt wuchs von 1987 bis 2006 deutlich ­ von 87 auf 120 Betriebe (plus 46 Prozent). Besonders stark nahm in den letzten fünf Jahren auch die Außenbewirtschaftung zu, ohne die die Wirte nach eigener Aussage kaum überleben könnten: 2004 gab es 91 Genehmigungen (650 Tische und 2625 Stühle), 2009 schon 98 (830 Tische, plus 28 Prozent, und 3028 Stühle, plus 15 Prozent). Gleichzeitig gab es auch mehr "Events" auf den größeren Plätzen der Altstadt ­ 65 im Jahr 2004 und 95 im Jahr 2009. Die meisten Veranstaltungen fanden auf dem Uniplatz statt (2004: 36, 2009: 45), doch Kornmarkt (2004: 11, 2009: 24) und Karlsplatz (2004: 3, 2009: 12) holen auf.

Ein (...) unsanftes Erwachen gab es auch, als Würzner und Köster über die Möglichkeiten informierten, die Lokale zu überwachen (...): Die Stadt kann nur im äußersten Notfall zum Konzessionsentzug greifen, wenn eine Kneipe gegen die Außenbewirtschaftungszeiten (normalerweise bis 23 Uhr) oder gegen die Sperrzeit (bis 2 Uhr werktags, wochenends bis 3 Uhr) verstößt.

Offenbar schaffte es die Stadt bisher kaum, rechtliche Schritte einzuleiten, (...). Bisher gab es beim Ordnungsamt nur zwölf Anhörungsverfahren. Und wenn es mal zu Strafen kommt, dann sind sie eher gering ­ meist um die 100 Euro (...).

Besonders schwer ist es, Ruhestörer zu bestrafen. Denn nach der Rechtslage muss es zwei Nachbarn als Zeugen geben, die sich unabhängig voneinander gestört fühlen: "Eigentlich müssten unsere Polizisten dann die Anwohner wach klingeln und fragen", beschrieb Bernd Fuchs, Leiter der Polizeidirektion, die Misere. Und wenn es dann mal ein Verfahren gebe, werde es oft genug eingestellt.


Auch gegen die "Rucksacksäufer" kann die Polizei kaum wirkungsvoll vorgehen, denn (...) Alkohol in der Tasche (...) ist keine Straftat. (...). die Initiativen wollten sich mit diesen niederschmetternden Fakten nicht abfinden (...): Es soll einen "Kümmerer" bei nächtlichen Ruhestörungen geben, die Stadt soll stärker Druck auf das Land machen (vor allem beim Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen), es könnte mehr öffentliche Toiletten geben, die RNV könnte mit ihren Nachtbussen den Uniplatz anfahren, und die Stadt sollte für effektivere Bußgeldverfahren sorgen und die Lokale strenger kontrollieren.

(...) Egal, welche Interessen die Initiativen vertreten, alle wollen, dass der Lärm erträglicher wird. (...) Und OB Würzner fand: (...) "dass es klar ist, dass die jetzige Situation nicht mehr toleriert werden kann."

Ernüchterung gibt es dennoch: Ob wohl "Lärm, Dreck und Randale" seit Monaten die Berichterstattung dominieren, die Stadt die Probleme wahrgenommen hat und die Wirte Transparente gespannt haben ­ leiser wurde es in der Altstadt nicht.


RNZ, Micha Hörnle, 12.11.09